Marcel Schmid, Komponist

Musikwerke von Marcel Schmid

Marcel Schmid ist ein quirliger Mensch. Den Weg vom Sofa zum Flügel und zurück in seinem Wittenbacher Heim legt er rennend zurück, will keine Zeit verlieren – das, was er in der Partitur an Details erklärt hat, noch geschwind am Klavier anzuspielen. Da spürt man dann den langjährigen Chorleiter: Voller Inbrunst singt er seine Melodien mit und kommt dabei mehr und mehr in Fahrt.
Marcel Schmid ist sichtlich glücklich: Sein Weihnachtsoratorium «So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern» ist fertig und wird morgen uraufgeführt. 27 Nummern umfasst es und hält auch Partien bereit, bei denen das Publikum mitsingen darf. Beim Weihnachtsoratorium denkt man natürlich an Bach. Marcel Schmid hat bei der Gestaltung seiner Komposition immer wieder einen Blick in die Partitur des Vorbilds geworfen und sich durchaus auch anregen lassen. «Ich habe ein bisschen hingeschaut», sagt er augenzwinkernd und findet einen schönen Vergleich: «Bach entstammt einer fernen Galaxie, ich stehe auf appenzellischem Boden.»

Stile vereinen

Der langjährige Leiter des Tablater Konzertchores, der langjährige Musiklehrer an der Kantonsschule und Pädagogischen Hochschule St. Gallen hat erst spät zum Komponieren gefunden. Obwohl er in jungen Jahren am Lehrerseminar Rorschach erste Versuche gewagt hat. Lieder nach Liebesgedichten, «für die schöne Studentin». Marcel Schmid erinnert sich schmunzelnd.
Er möchte heute in seinen Kompositionen die verschiedenen Stile zusammenbringen. Und schöpft beim Schreiben aus der grossen musikalischen Erfahrung im praktischen Bereich. Avantgardistische Dissonanzen sind nicht sein Ding, trotzdem nutzt er beispielsweise die Rezitative seines Oratoriums, um auch Experimentelleres zu wagen. Überraschende Rückungen, überraschende Harmonien wagt Marcel Schmid, bettet sie aber stets in einen Grundtenor von Musik ein, die nicht gegen den Hörer geschrieben ist.

Gute Ideen beim Wandern

Vor vier Jahren hat Schmid ein «Gloria» geschrieben. Die Reaktionen haben ihm Mut gemacht. Heute hat er keine Angst mehr, man könnte ihm Stilkopie vorwerfen. Oft fällt im Gespräch der Name Arvo Pärt, dessen ausgleichende Musik zwischen modern und zeitlos rückwärtsgewandt er bewundert. «Pärt ist nie destruktiv, und Schönheit ist ihm auf eine musikalisch ganz eigenständige Art ein Anliegen.» Marcel Schmid geht beim Komponieren von der Improvisation aus. «Und ich muss emotional aufgeladen sein. » Gute Ideen kommen ihm hierbei oft beim Wandern. Üppig deutet Marcel Schmid den Text aus Lukas 2 aus, ja er kann sich richtig in Begeisterung reden, wenn er seine Stilmittel und Rezepte erklärt. Gute Melodien schreibt er schnell in ein Skizzenbuch, geht dann rasch zum Computer ins «Finale»-Programm, um sich sofort den Ausdruck aufs Notenpult seines Flügels zu legen.
Frei und doch klar wirkt Marcel Schmids Umgang mit den Stilen. Klar wirkt auch das, was er mit dem Weihnachtsoratorium will: einen Weg vom Dunkel ins Licht nachzeichnen. Hinter dem Schwierigen stets die Hoffnung spüren, das Schwere nicht ausklammern, aber auch zeigen: Das Leben geht weiter. Diesen Gegensatz lotet Schmid auch mit der Polarität von frei tonaler und harmonischer Musik aus. Nicht zuletzt will Schmid dem Hörer auch die Möglichkeit geben, anhand der Musik seine eigenen Weihnachtsemotionen zu entdecken.

Dem Text vertrauen

Die Partitur ist kammermusikalisch gehalten und lässt sich vom Text leiten. Die Rezitative sind modern vom Klavier begleitet. Neben Lukas fliessen auch Sätze von Jesaja oder vom Schriftsteller Jochen Klepper mit ein. «Ich kann als Komponist dem Text vertrauen», sagt Marcel Schmid. Die Bibelworte sind für ihn ein sicherer roter Faden.
Marcel Schmid war Lehrer und Chorleiter, sein nächster Lebensabschnitt soll dem Komponieren gewidmet sein, das er genauso autodidaktisch betreibt, wie er das Dirigieren erlernt hat. Neues ist in Planung, etwa ein Pfingsthymnus, in den auch Texte von St. Galler Autoren einfliessen sollen. Schmid träumt zudem von einer Passion. Und das höchste der Gefühle wäre ein Sinfonie. Absolute Musik ohne das sichere Geländer eines liturgischen Textes. Grosse Hochachtung hat Komponist Schmid vor diesem Genre.